Die Anfänge
So trug es sich zu, dass am 23. Mai 1916 ein gerade geweihter Vikar, ein gewisser Bernhard Zimmermann, seine erste Anstellung in der Pfarrei Allagen antrat. Er traf dabei auf den hiesigen Dechanten Joseph Schafmeister, der als strenger und prinzipientreuer Wächter von Sitte und Ordnung bekannt war. Schafmeister war eher gefürchtet, als beliebt, empfand aber eine echte Seelenverwandtschaft zu seinem neuen Vikar, ein Umstand, der alle weiteren Entwicklungen erst möglich machte.
Um dieses zu verstehen, ist es hilfreich den mühevollen Werdegang des Bernhard Zimmermann etwas zu beleuchten.
Zum Werdegang des Bernhard Zimmermann
In Driburg als jüngstes Kind von sechs Kindern am 23.12.1880 geboren, absolviert Bernhard Zimmermann zunächst die Volksschule, erlernt das Malerhandwerk und schließt sodann eine Ausbildung zum Kirchenmaler an. Sein Vater Conrad Zimmermann, Pächter des städtischen Steinbruchs, hat seine erste Ehefrau Gertrud Pauly sehr bald nach der Heirat verloren, so dass dieser im Jahre 1867 erneut die Theresia Marx heiratet und diese Ehe mit fünf Kindern gesegnet ist.
Bernhard der Jüngste der Kinderschar verspürt einen unbändigen Drang zum Priesteramt. Im Alter von 24 Jahren entschließt er sich, Priester zu werden, was bedeutet, dass er das Abitur nachholen muss.
Der steinige Weg zum Abitur
Der Weg zum Abitur gestaltet sich unendlich schwierig, wie seine Biografie zeigt. Danach versuchte er sich am Deutschen Don-Bosco-Institut St. Bonifacius in Penango/Piemont, ohne Erfolg. Der Besuch von Privatschulen in Köln, Lage und Bad Meinberg und der mutige Versuch ohne ausreichende Vorbereitung die Reifeprüfung zu bestehen, geht daneben. Ein weiterer Versuch in Gelsenkirchen-Schalke als Externer an dem dortigen Gymnasium die Reifeprüfung erfolgreich zu absolvieren gelingt ebenfalls nicht. Das Vertrauen in weitere Privatschulen ist inzwischen vollends verloren. Selbst ein Versuch mit Privatunterricht im universitären Umfeld in Münster zum Erfolg zu gelangen, scheitert.
Er kommt nun doch zu der Erkenntnis, dass er tatsächlich in die Oberstufe eines klassischen Gymnasiums einsteigen muss, um sich auf die Reifeprüfung ordentlich vorzubereiten. Von 16 Bewerbungen an diversen Gymnasien erhielt er 15 Absagen. Er besteht schließlich als externer Schüler im Alter von 31 Jahren die Reifeprüfung am Gymnasium Dionysianum in Rheine.
Es folgen Zeiten des Theologiestudiums in Paderborn und München. Zu Ostern des Jahres 1916 schließt er endlich diese seine schwierigste Lebensphase erfolgreich ab. Er wird in Paderborn zum Priester geweiht. Bernhard Zimmermann ist nun bereits 36 Jahre alt. Dieser Lebensabschnitt hat ihn augenfällig und maßgeblich geprägt.
Seine erste Anstellung als Vikar in Allagen
Voller Tatendrang und Willen Veränderungen herbeizuführen, tritt er seine erste Anstellung am 23. Mai 1916 als Vikar in Allagen an. Er trifft hier auf Pastor Joseph Schafmeister, als einen großen Gönner und Förderer. Nach dem Tod von Joseph Schafmeister wurden die begonnenen Aktivitäten auch unter dem neuen Pastor Johannes Schröder fortgeführt.
Zum Vereinsleben
Der weltliche Jünglingsverein
Im Jahre 1888 wurde von dem im Jahre 1929 verstorbenen Anstreichermeister Caspar Schüth ein Jünglingsverein in der Vikarie. die damals nicht besetzt war, gegründet, der aber, streng genommen, noch kein kirchlicher Verein war. Caspar Schüth wohnte damals in der Vikarie.
Der kirchliche Jünglingsverein bzw. Josefsverein
In den Jahren 1905 und 1906 wurde daraus der Josefsverein als kirchlicher Verein, der Jünglingsverein wurde eine Abteilung des Josefsvereins. In diesem Jünglingsverein bestand dann kurz vor dem ersten Weltkrieg schon eine Turnabteilung, die von Vikar Kühn gebildet bzw. wieder ins Leben gerufen wurde. Dann kam der Krieg, und das ganze Vereinsleben stockte, wenn sich auch die Jugendlichen in den „Jugendwehren“ teils wieder sammelten. Auch in der ersten Zeit nach dem Kriege stand man dem Vereinsleben fern.
Am 9. November 1919 starb Dechant Schafmeister, und Vikar Zimmermann, gründete in Niederbergheim den Jünglings- und Kapellenverein. Im Januar 1920 verlief eine Versammlung zwecks Bildung eines Jünglingsvereins in Allagen ergebnislos.
Die Neureglung des Vereinslebens
Als im Mai – Juni 1920 in Kirchspiel Allagen eine Mission stattfand, wurde auch das Vereinsleben neu geregelt. Es entstanden der Jungfrauenverein, der Mütterverein, die Jünglingssodalität und das Männerapostolat. Präfekt der Sodalität wurde Heinrich Lenze, Westendorf; Schriftführer Wilhelm Wienecke: Kassierer Anton Kellerhoff.
Ein Gruppenfoto aus dem Jahre 1921 zeigt Bernhard Zimmermann zusammen mit den Mitgliedern des Jünglingsvereins, der Jünglingssodalität, Allagen.
Gründung des Gesellenvereins
Zu dieser Zeit wurden nahezu in allen Orten in den deutschen Landen sogenannte Gesellenvereine gegründet. Dieses auch in Allagen, wo sich die örtlichen Handwerker, von denen einzelne aus der Fremde in die Heimat zurückgekehrt waren und über die Gründungen andernorts berichteten, die Frage stellten, warum es in Allagen noch keinen solchen Gesellenverein gibt?
Vikar Zimmermann, welcher Pfarrer Schröder an einem Sonntag in Lünen vertreten musste, kam dort zufällig mit Mitgliedern des Gesellenvereins in Berührung. Auf der ersten Versammlung des Jünglingsvereins sprach er in Allagen über den Gesellenverein. Man fand somit bei Vikar Zimmermann, selbst gelernter Handwerker, ein offenes Ohr für diese Initiative.
Nach zwei Wochen fand bereits die Gründungsversammlung des Vereins statt.
Es meldeten sich 71 Jungmänner zur Aufnahme in den neuen Verein. Gemäß der Statuten wurde Bernhard Zimmermann als Gründungspräses gewonnen, zum Senior wurde Franz Schulte gen. Franzschulte gewählt, als Schriftführer rekrutierte man den Klempnermeister Joseph Püster und zum Kassierer erkor man den Schuhmachermeister Bernhard Müller gen. Timann.
Fahnenweihe 1921
Pfarrer Schröder stiftete den ersten Beitrag für eine Fahne, ihm schloss sich der Vorstand an. Am 1. Mai 1921 fand auf dem Platze bei Kühle die Fahnenweihe statt. Festredner war Lehrer Schulz, Soest, der über das Thema sprach: „Was sagen dem Gesellen die Abzeichen in der Vereinsfahne?“
Die Fahne war angefertigt im Kloster in Salzkotten. Der zuerst von den Schwestern vorgelegte Entwurf befriedigte nicht. Daher weilte ein Maler aus Salzkotten zwei Tage hier und entwarf ein Bild von der Kirche und den umliegenden Häusern, von der Weide neben dem Wohnhaus Schüth aus gesehen. Im Vordergrund stand Kolping, von dem ein Wanderbursche Abschied nahm. Nach diesem Entwurf wurde die Fahne dann hergestellt. Den Fahnenstock stiftete Schreinermeister Franz Hecker. Die ganze Fahne kam auf 3105 Mark (Inflationszeit!). Bei der Prozession trug der Vorstand die Fahne, später wurde eine besondere Fahnendeputation gewählt.
Die Gründung des Gesellenvereins Allagen erfolgte bekanntlich im Jahre 1920, der im September 1933 zusammen mit dem Josephsverein in den Kolpingverein überführt wurde.
Anlässlich des Gesellentages in München vom 8. bis 11. Juni 1933 wurde das gesamte Kolpingwerk unter dem Namen „Kolpingsfamilie“ zusammengefasst. Nicht aus Gründen der Tarnung wurde die Änderung des Namens „Katholischer Gesellenverein“ in „Deutsche Kolpingsfamilie“ vorgenommen, sondern damit fand der ursprüngliche, schon von Kolping ausgesprochene Gedanken der familienhaften Bindung seine organisatorische Vollendung.
Gründung einer Schule für junge Männer
In die Zeit als Vikar in Allagen fällt ebenfalls der Entschluss des Bernhard Zimmermann zur Gründung einer Schule für junge Männer, die eine Berufsausbildung abgeschlossen haben und das Abitur nachholen wollen.
Das Bildungssystem der damaligen Zeit lässt Quer- und Späteinsteiger auf dem Weg zum Abitur nicht zu, wie er selbst leidvoll erfahren musste.
Ein geeignetes Haus zur Umsetzung seiner Vision findet sich nicht in Allagen, sondern in Belecke in Form einer alten Gastwirtschaft. Am 03.05.1922 ist es soweit, die Gründung eines Spätberufenenseminars wird vollzogen und unter den Schutz des heiligen Klemens Maria Hofbauer gestellt.
Der bislang für den gesamten deutschsprachigen Raum unbekannte Begriff des Zweiten Bildungsweges ist geprägt.
Die notwendigen Lehrpersonen rekrutiert Zimmermann aus der näheren Umgebung des Möhnetals, wobei Geistliche und Lehrer ihm zur Seite stehen.
In kürzester Zeit erfährt die neue Einrichtung einen wahren Boom an Interessenten.
Das besondere Verhältnis zu Niederbergheim
Ein besonderes Verhältnis hat Bernhard Zimmermann zur Bevölkerung in Niederbergheim aufgebaut. Er drängt schon früh und intensiv auf eine Erweiterung der Antoniuskapelle. Im Jahre 1921 gelingt eine größere Erweiterung dieses Kirchenbaus.
Der planende und ausführende Architekt ist der in Allagen geborene Joseph Ferber aus Soest. Dieser bekommt das Geschick des Bernhard Zimmermann, Finanzmittel zu eruieren oder auch Kosten zu vermeiden, dahingehend zu spüren, dass er ein Honorar für seine Mühen niemals erhält.
Die Wirkungsphase im Kirchspiel Allagen geht schon bald für Vikar Zimmermann dem Ende entgegen. Bereits Ende des Jahres 1922 wird er von seinen seelsorgerischen Pflichten freigestellt, um sich voll und ganz seinem Klemensheim zuwenden zu können.
Der rasante Erfolg von St. Klemens spiegelt sich in den ersten erfolgreichen Absolventen im Jahre 1926 wieder.
Erweiterung des St. Klemensheimes
Es folgen für Bernhard Zimmermann die Bemühungen um eine Erweiterung des St. Klemensheimes. Zimmermanns Heimatstadt bietet ihm ein günstiges Grundstück für einen Neubau an, so dass unmittelbar die Planungen einsetzen.
Ein ausgelobter Architektenwettbewerb wird von Josef Ferber, in Allagen geborener Architekt in Soest, gewonnen, der unverzüglich mit dem Neubau beginnt.
Die separaten Wege der Kolpingfamilien Allagen und Belecke
Der Begründer und Initiator der Kolpingfamilien in Allagen und Belecke verlässt das Möhnetal, um ein neues Kapitel seiner Mission aufzuschlagen, was eventuell einen weiteren Bericht Wert ist.
Zu diesem Zeitpunkt trennen sich auch für einhundert Jahre die Wege der Kolpingfamilien Allagen und Belecke, um nun wieder gemeinsam im Sinne Adolf Kolpings zu wirken.