Die Landwehr

Über die Haar zog sich vor einigen Jahrzehnten ein Erdwall von Westendorf bis nach Brüllingsen, die „Landwehr“. Sie ist noch deutlich erkennbar auf der Liet bei der alten Vogelstange.

Die Landwehr zu Westendorf

Dank der Initiative der Familie Severing zu Westendorf ist der Endverlauf der Allagener Landwehr noch heute erhalten und als Erdwall im Kamp des alten Goesmanns- bzw späteren Loagshofes zu Westendorf sichtbar.

Der weitere Verlauf des Walls in Richtung Brüllingsen ist mittels Luftaufnahmen und erkennbarer Bodenveränderungen noch heute deutlich sichtbar.

Luftaufnahme mit geologischen Veränderungen, Landwehr Westendorf. (© Archiv Wohlmeiner)

Ein geschichtsträchtiger Ort

Dieser Kamp hat es im wahrsten Sinne des Wortes in sich.

Dort befindet sich die Befestigung in der historischen Eiche der sog. alte Niederbergheimer Vogelstange.

Gleich nebenan zeugen die Gedenksteine des Pflanzers Josef Loag von einer beeindruckenden Kolonialgeschichte.

Diesem Platz wird als Krönung die Geschichte zum tragischen Ende eines französischen Grenadiers zugesprochen.

Die Landwehr, lediglich ein Hindernis

Bernard Kraft beschreibt in seinem Heimatbuch zum Kirchspiel Allagen die Hintergründe, die nachfolgend wiedergegeben werden (5).

„Die Zeit dürfte längst vorüber sein, in der man alle diese Anlagen als römisch ansprach. Sie sind oft auf das Jahr genau als mittelalterliche Befestigungswerke zu datieren und dienten dazu, die städtische Feldmark in größtmöglichem Umfange zu umschließen, um zu verhindern, daß das eigene Vieh aus der eigenen Feldmark heraus und fremdes Vieh herein getrieben werden konnte.

Wir haben dabei nicht anzunehmen, daß die Landwehrbefestigungen großen Heerhaufen einen wirksamen Widerstand entgegenzusetzen vermochten. Vielmehr hatten sie die Aufgabe, kleine Räubereien, besonders Viehdiebstähle, zu verhindern. Bezeichnend hierfür ist die Anlage eines Walles mit einem Graben nach jeder Seite hin. Ein Einbruch in das Gehege ist oft, wenn die Wachen, die an den Schlagbäumen und Schlingen die Straße geschlossen halten, überrascht wurden, nicht zu verhindern; aber bis die Räuber das Vieh, auf das es abgesehen ist, zusammengetrieben haben und mit ihm wieder aus der Sperre heraus wollen, kann leicht allerhand Volk zu Hilfe gerufen sein, das nun den Abzug und Wegtrieb unmöglich macht.

Das wesentliche Hindernis aber bei den Landwehren ist in alter und neuerer Zeit gar nicht Wall und Graben, sondern die lebende Hecke oder das Gebüsch gewesen.

Cäsar beschreibt schon ein solches, das die Nervier zu ihrem Schutze gegen benachbarte Reitervölker angelegt hätten, aus eingeschnittenen und verflochtenen Zweigen und dazwischen gepflanzten Dornsträuchern.

Vielleicht ist diese lebende Hecke ursprünglich allein das Hindernis gewesen, und der Wall ist erst später hinzugekommen. Eine solche Hecke konnte oft 30, ja 60 m dick sein, so daß man nicht hindurchkommen, ja nicht einmal hindurchsehen konnte. Die Sträucher, die dazu verwendet sind, lassen sich an heutigen Resten vielfach noch erkennen. Es ist in erster Linie die Hainbuche, dann der Feldahorn und der Haselstrauch, dazu die Eibe gewesen, und die unangenehmen Dornen, die in die Mitte hinein gefügt wurden, waren Schwarz- und Weißdorn, Brombeeren und Heckenrosen …

Nicht nur die städtische Feldmark oder die einer Klosterherrschaft, sondern auch die von Ämtern oder einzelnen Dörfern sind vielfach mit Landwehrteilen oder zusammenhängenden Landwehren befestigt gewesen (1).“

Von Holl, Schling und Schlüter

Die Durchlasse für die Wege nannte man „Holl“ oder „Schling“. Die „Schlingstöcke“ konnten vor den Eingang gezogen werden. Beim „Schling“ stand oft ein Wärterhäuschen und wurde von einem Turm aus bedient. Im Jahre 1812 wird in einem Sterberegister der Allagener Kirche der „Baumschließer“ Heinrich Feldmann genannt.

Der Name „Schlüter“ = Schließer hat die gleiche Bedeutung. In der Inschrift des Heiligenhäuschens in der Nähe der Landwehr in Westendorf bei Schulte-Hense wird aus dem Jahre 1858 ein Franziskus Schlüter“ erwähnt. Ein Torbalken auf dem genannten Hof trägt den Vermerk

„Gebauet d. 19. Juli 1846 Franz Schlüter“.

Dem Sinne nach besagt der Familienname „Hollmann“ dasselbe.

In einem Verzeichnis über den Fruchtverkauf der Vikarieländereien aus dem Jahre 1809 heißt es:

„Zwei Ruten in der ,Rollerten‘ dem Amtsdiener Siegmund, Allagen,
4 Rtlr., 18 Sgr. (Der Fruchtverkauf ergab im ganzen 24 Rtlr. 27 Sgr.)“

Eine ähnliche Aufgabe wie der Schließer hatte der „Holtknecht“ in Niederbergheim. Im Jahre 1809 starb in Niederbergheim Sofia Holtknecht

Die westendorfische, ein Teil der soestischen Landwehr

Auf einer älteren Karte ist ein „Lanferweg“ verzeichnet von Westendorf zur Haar, er führte am Asshof vorbei. Die Landwehr auf der Liet soll eine Abzweigung der Soester Landwehr sein. Die soestische Landwehr hielt sich nicht genau an die Bördengrenzen …

Die Landwehr, deren Bau Jahrzehnte die Kräfte der Stadt in Anspruch genommen hatte, erstreckte sich auf eine Länge von 53 km. Von der Südostecke der Soester Börde beim Dorfe Brüllingsen (nahe dem Hof Griese) war eine Abzweigung der Soester Landwehr nach Süden bis zur Möhne durchgeführt, von der der letzte Ausläufer unmittelbar nördlich der Dorflage von Allagen noch heute zu erkennen ist.

Sie schloß sich an die Soester Landwehr südlich der Neuengeseker Warte an dem Punkte an, wo diese rechtwinklig in die Ost-West-Richtung umbog gegen die Siedlung Neuengeseker Heide hin ….

Da sich der Machtbereich der Stadt Soest vor der Soester Fehde auch über das Amt Oestinghausen zwischen Ahse und Lippe erstreckte, so dürfte die Folgerung Weerths richtig sein, daß die beiden Verlängerungsstücke der Soester Landwehr zwischen Brüllingsen und der Möhne und zwischen Haus Düsse an der Ahse und der Lippe vom Soester Rat gebaut sind, um einerseits das Land bis zur Möhne, andererseits das Amt Oestinghausen fest mit seinem Gebiet zu verbinden und in die Börde einzubeziehen, ein Vorhaben, das freilich durch den Ausbruch und den Ausgang der Soester Fehde vereitelt wurde. Das Stück von Brüllingsen bis zur Möhne wird (bis zum Asshof auf der Haar) noch 1681 als soestisch bezeichnet. Karte bei H. Schwartz (2).

„Die Schnadezüge haben diese zur Möhne reichenden Landwehren auch als Grenzen der Soester Börde verfolgt, und wenn auch die Stadt in diesem heute zum Amte Körbecke gehörigen Raume weitere Hoheitsrechte nicht ausgeübt hat, so stand ihr doch bis zum Jahre 1848 das Recht der hohen und niederen Jagd bis an die Möhne zu. Als letztes der alten Souveränitätsrechte der Stadt ist dies Jagdrecht 1848 ohne Entschädigung vom preußischen Staat aufgehoben worden. Das Recht war uralt und schon vor dem Jahre 1371 ausgeübt worden. Die Soester Landwehr reicht wahrscheinlich ins 14. Jahrhundert zurück und ist im 15. Jahrhundert weiter ausgebaut worden. Gelegentlich wird der Brüllingser Schlingbaum erwähnt. Wurden die Bördegrenzen durch die Schnadjagden festgestellt und festgelegt, die der Rat in regelmäßigen Zeitabständen veranstaltete, so wurden die Landwehren auch regelmäßig begangen und kontrolliert, aber nicht in einem der Öffentlichkeit erscheinenden halb festlichen Umzug, sondern als ernste Sicherungsmaßnahme, wenigstens bis ins 18. Jahrhundert hinein (3).“

Die Separation verwischte die ursprünglichen Gemarkungsgrenzen. Die Folge war, daß die Landwehr oft mitten in ein Grundstück zu liegen kam und darum, weil sie auch ihren wehrhaften Charakter verloren hatte, bald eingeebnet wurde (4).

Nur an geringen Resten können wir noch das Werden und Vergehen dieser heute ganz vergessenen Befestigungsanlagen erkennen.

Nachtrag:

„Die Abzweigung von der Soester Landwehr führte im Nordwesten, wie schon oben erwähnt, vom Dorfe Brüllingsen bis Westendorf. In gleicher Weise scheint die Stadt Soest auch im Südwesten ihres Gebiets eine Erweiterung der Bördegrenzen erstrebt zu haben, aber auch hier ohne Erfolg. In den kölnischen Gemeinden Sieveringen und Vollbringen fand sich nämlich ebenfalls eine nordsüdliche Landwehr, die vom Soestischen Dorfe Ostönnen aus nach Kloster Himmelpforten an der Möhne verlief, aber heute nur noch in einem kleinen Teile südlich Vollbringen und unmittelbar nördlich des vormaligen Klosters Himmelpforten erhalten ist. (2)

Quellen:

(1) Krüger, Die Landwehrbefestigung der Stadt Höxter (in der Z. f. G. u. A., Band 86, S. 60) – Dr. Dr. Dr. Lappe, Was die alten Flurnamen erzählen (Die Heimat, 10. Jahrgang, Nr. 8, S. 233) – Becker, Geschichtliche Nachrichten über die im Briloner Stadtgebiet untergegangenen Ortschaften und Einzelgehöfte – Vergleiche auch Rüther, Geschl. Heimatkunde des Kreises Brilon.

(2) Dr. Dr. jur. Hubertus Schwartz, Senator a. D. der Freien Stadt Danzig, Soest in seinen Denkmälern, I. Band 1955 (Die Landwehren S. 113 ff.). Erzbischof Dietrich von Moers beschwerte sich am 26. August 1441 darüber, daß die Soester durch den Bau ihrer Landwehr mit Türmen, Gräben und Schließungen bestrebt gewesen seien, sich ihm gehörige Gebietsteile anzueignen und ihre Bewohner dienstbar zu machen. Er nennt als solche die Dörfer Bettinghausen, Sieveringen … Neuengeseke und Brüllingsen, Ebenda.

(3) Schwartz, H._ Die Soester Landwehr – Bei Schoneberg wurden bei der Landwehr folgende Maße festgestellt. Der Wall war etwa 8 m breit und von 2 je 5 m breiten Gräben begleitet. Die Grabensohle war im gewachsenen Boden 2,5 m breit und gegen das heutige Niveau 1,8 rn tief. Hieraus ergab sich, daß die ursprüngliche Wallhöhe 4,2 m über der Grabensohle betrug. Ebenda.

(4) Im Gemeindeprotokoll vom 17. September 1877 heißt es: „Es kam zur Sprache, daß ein Teil der sog. Landwehr nördlich des sog. Diebesweges noch Eigentum der Gemeinde sei, und beschloß die Versammlung, daß dieses Grundstück demnächst auf 6 Jahre sollte verpachtet werden.“

(5) Kraft, Bernard: Geschichte des Kirchspiels Allagen. Ein Heimatbuch (1967), S. 155-158