Haus Nr. 72

Ein Haus in Allagen

Familien- und Heimatforschung birgt mitunter einige Überraschungen. Das simple Auftauchen einer Ansichtskarte wirft spontan die Frage auf: um welches Haus handelt es sich hier?

Ansichtskarte, Vorderseite

Die Zuordnung dieses alten Hauses, abgebildet auf einer gelaufenen Ansichtskarte, weckt den Forscherdrang, zumal es kein augenfällig vergleichbares Objekt im Orte Allagen zu geben scheint.

Ansichtskarte, Rückseite

Der Kartentext muss die Lösung bringen. Es steht geschrieben:

Allagen, den 19.8.1911
Meine Lieben! Schicke Euch jetzt
Onkels Haus u. ich und Theo sind
darauf u. Franz, die anderen
waren auf dem Balken, u.
Tante kam zu spät, es ist schön
geworden. Wenn Papa mir erst
Nachricht gibt, daß wir uns treffen
dann kann er mir Theo seinen
Sonntagsanzug mitbringen, ich
muß fast immer waschen und
Mutter auch, nächste Woche gehen wir
die ganze Woche aus. Morgen Nach-
mittag gehen wir zum Kalvarien-
berg mit Tante u. Großmutter.
Es grüßt Familie Schulte, Frau, Mutter u. Kinder

Die Karte ist gerichtet an Josef Fromme in Hagen, wohnhaft in der Moltkestraße 4.

Da die Hausabbildung zunächst keine Hilfe darstellt, ist die Suche nach möglichen Schnittmengen der Familien Fromme und Schulte im Umfeld Allagens ein gangbarer Weg.

Es findet sich in den Annalen des Möhnetals ein Hermann Joseph Fromme (*1862 – +1942) geboren in Mülheim Waldhausen, der im Jahre 1893 die Gertrud Francisca Grawe (*1872 – +1943) aus Waldhausen geheiratet hat und der als Maschinenheizer zu Hagen tätig ist.

Die Schwester der Gertrud Grawe, die Francisca Elisabeth Grawe (*1876 – +1930). hat tatsächlich im Jahre 1901 in Allagen den Landwirt Joseph Schulte gen. Franzschulte (*1865 – +1930) geheiratet.

Schulte gen. Franzschulte

Joseph Schulte gen. Franzschulte ist demnach der Onkel der Kartenschreiberin, bei der es sich vermutlich um die ca. 17 jährige Tochter des Joseph Fromme handelt, die mit ihrem kleinen Bruder Theo auf der Karte abgebildet ist.

Bei dem genannten Franz handelt es ich wohl um den noch unverheirateten Kettenschmied Franz Schulte gen. Franzschulte (*1888 – +1956), ebenfalls ein Onkel der beiden, der nach Einheirat in das Haus Michel unter dem Namen Schulte gen. Michelschulte geläufig ist.

Eine Katasterkarte aus dem Jahre 1910 zeigt uns nun die Lage des Hauses Franzschulte an der Dorfstraße in Allagen mit der damaligen Hausnummer 72.

Katasterkarte aus dem Jahre 1910

Die Bezeichnungen: Wohnung, Deele, Stall und ein weiterer Stall decken sich mit der Situation auf dem Hausfoto.

Im Jahre 1911 wurde das Haus offensichtlich umfassend saniert, wie der Kartentext andeutet, zudem machen einzelne nach innen anschlagende Fenster und die Elektrifizierung dieses deutlich. Die Tätigkeit als Kettenschmiede hat sicherlich einen gewissen Wohlstand gebracht.

Die Eheleute Schulte versterben beide im Jahre 1930. Die Nachfolge tritt im Jahre 1934 der Sohn Joseph jun. Schulte gen. Franzschulte (*1902 – +1987) an.

Das Haus wird in den Folgejahren massiv umgebaut. Bei derartigen Umbaumaßnahmen findet sich später im Gebälk des Dachstuhls ein kleines Kästchen mit den Totenzetteln der Eheleute Schulte aus dem Jahre 1930 und ein kleiner Münzgeldbetrag, vermutlich um eine Gedenkmesse halten zu lassen. Eine Messe, die man nun halten könnte.

Totenzettel und Münzgeldbetrag