Westfälische Marmorwerke

Die Berliner Emmissäre
und die Westfälischen Marmorwerke Aktiengesellschaft

Eine Gruppe von meist anonymen Investoren, die das Unternehmen 1872 zu außerordentlich günstigen Konditionen aufkauften und in eine Aktiengesellschaft, -die Westfälischen Marmorwerke-, umwandelten, wurden damit auch Eigentümer des Hauses.

Handelsregistereintrag vom 21. März 1872

Als Zweck des neuen Unternehmens wird in der Satzung angegeben:
„Erwerb, Betrieb und Erweiterung der
Firma Prang & Cie. gehörenden Marmorwerke.“
Das Grundkapital von vorläufig 725 000 Thalern wird aufgebracht durch 7250 Aktien je Aktie zu 100 Thaler und der Aufsichtsrat ermächtigt, dasselbe auf 2 Millionen Thaler zu erhöhen!

Um diese Kapitalsumme richtig würdigen zu können seien die damaligen Arbeiterlöhne mit angeführt, sie lagen unter 1/2 Thaler.

Der Erwerb umfasste die Drahtrolle, das Viktoriawerk und das Puddlingswerk, den Liethammer, nebst allem Zubehör, 63 Marmorbergwerke, 130 Morgen Land mit Gebäuden und lebendem und toten Inventar. „Preis und Wert“, wie es heißt, „betragen 625 000 Thaler, der Preis ist beispiellos billig, herbeigeführt durch eine eigenartige Verkettung der Umstände.“ (2) 

Die Gründer waren Isidor Plato, R. A. Seelig, Eduard Percht, Eduard Stahlschmidt, Gustav Siegel und Jean Baptist Prang.

Rundbrief vom 01. April 1872

Mittels eines Rundschreibens vom 01. April 1872 wurde die Gründung der Aktiengesellschaft, -die Westfälischen Marmorwerke- den Firmenkunden mitgeteilt.(6)

Die Herren Directoren J. B. Prang und Gustav Siegeö werden zeichnen

Als Direktoren fungierten schließlich Prang, Dr. Widmann und der Mitgründer Siegel, der nach einigen Jahren entlassen wurde, weil er unrationell gewirtschaftet hatte.

Tafel aus choloriertem schwarzen Marmor. Firmenschild der ersten Besitzerin der Marmorwerke in Allagen, ca. 1872 (4)

Eine Dividende hat das Unternehmen nie ausgeschüttet. Das Unternehmen hat fraglos viel Geld durch die Aufschließung von Brüchen verloren, weil die dort geförderten Rohblöcke sehr häufig nicht den erwarteten Qualitäten entsprachen. Auch scheinen den Misserfolg falsche Dispositionen der leitenden Herren mitverschuldet zu haben. So wurde z. B. die Lieferung großer Säulenschäfte mit Basen und Kapitälen fur Schloss- und Parlamentbauten in Wien übernommen. Später waren aber die Monolite für die Säulen in den notwendigen Maßen aus westfälischem Marmor nicht zu beschaffen, sodass die bereits fertiggestellten Basen und Kapitäle nicht verwendet werden konnten.

Aktie der Westphälischen Marmor-Werke zu Allagen

Sie dienen später noch mit ihrem reichen Schmuck als Untersätze fur Gartentische. Die Beschränkung der Verarbeitung auf in eigenen Brüchen gewonnenen Marmor, die ungünstige Verkehrslage dieser Brüche zu den Verarbeitungsstätten und schließlich die Entfernung der nächsten Bahnstation Soest vom Werk werden den Zusammenbruch des stark überkapitalisierten Unternehmens in erster Linie verschuldet haben. (2,3) 

Aus dieser Zeit ist in den Annalen Allagens fast nichts überliefert. Es kamen und gingen Geschäftsführer und Mitarbeiter der Unternehmung ohne erkennbare Spuren zu hinterlassen.

Im Katalog zur Weltausstellung in Wien im Jahre 1873 sind einige Details aufgeführt. Die Mitarbeiterzahl beläuft sich demnach auf stolze 365 Arbeiter, von denen ca. 150 im Außendienst bzw. bei Firmen außerhalb Allagens tätig sind.

Katalogeintrag zur Weltausstellung in Wien im Jahre 1873

Eine umfassende Übersicht über das Waren- und Produktangebot gibt eine Preisliste aus dem Jahre 1876.(5)

Preisliste zum Waren- und Produktangebot

Im Jahre 1879 wurde der Betrieb der Westfälischen Marmorwerke AG Allagen eingestellt und die gesamten Liegenschaften gingen in den Besitz der Berliner Bodenkreditbank über.

Direktor des hiesigen Marmorwerkes, Bildhauer Sametzki

Einer der wenigen Hinweise bezüglich der Existenz der Westfälischen Marmorwerke AG findet sich in den Standesamtsregistern Allagens. So war in den letzten Jahren der Westfälischen Marmorwerke AG Allagen ein Carl Wilhelm Bruno (Beno) Sametzki als Bildhauer auf dem Liedwerke zu Allagen tätig.

 

 

(1) Geschichte des Kirchspiels Allagen, Kraft Bernard, 1967

(2) Chronik der Familie Dassel

(3) Nicolaus Hocker „Großindustrie Rheinlands und Westfalens“, Leipzig, 1867

(4) mündliche Mitteilung,
Die Fragmente dieses Kunstwerks haben jahrzehntelang unbeachtet in der Schreinerei der Firma Dassel auf eine Restaurierung gewartet. Auf Initiative von Klaus Dassel wurde das Relief von Josef Kutscher, Jahrgang 1930, en détail aufgearbeitet, einzelne Teilen wurden nachgefertigt und das Gesamtwerk auf einer massiven Basisplatte neu aufgebaut, so dass es in altem Glanz gezeigt werden kann.
Es ist heute im Besitz der Firma Naturstein Dassel GmbH und an einem exponierten Platz in der großen Ausstellungshalle zu bewundern.

(5) Meissner; G.: Illustrierter Ratgeber und Preis-Catalog, S. 307-310, Jena, 1876

(6) Oeleker, Helmut: Poststempelgilde e.V., Soest, 2021